Emotionsgeladene Romanfiguren
Wenn man einen Roman schreibt, geht es in erster Linie um die Handlung.
Man muß wissen, was passiert, in welchem zeitlichen Ablauf und was am
Ende dabei rauskommen wird.
Doch noch eine weitere Sache ist unheimlich wichtig: Die Romanfiguren.
Welchen Charakter haben Sie? Warum wurde ihnen gerade dieser Charakter auf den Leib geschrieben? Und wie verhält sich ihr böser Gegenspieler?
Zunächst möchte ich Euch eines ans Herz liegen, was ich selbst gerne
vergesse, da ich meine Romanfiguren eher aus dem Gefühl heraus
entwickle: Eine Romanfigur darf nie zu perfekt sein.
Wenn sie perfekt ist, wird sie schnell langweilig. Und wer möchte schon
von einer Figur gelangweilt werden, anstatt aus einem Sog der Gefhühle
mitgerissen zu werden?
Dann gibt es eine Art "oberstes Gebot", was man für eine spannende Geschichte immer beachten sollte:
Konflikte, Konflikte, Konflikte.
Wenn sich Konflikte anbahnen, muß man gegen Widerstände kämpfe und genau das macht eine Geschichte interessant.
Wobei Konflikte grundsätzlich in zwei Kategorien eingeteilt werden:
- äußere Konflikte
- innere Konflikte
Bei "äußeren Konflikten" wirken sich Situationen und Handlungen von anderen Figuren auf die Romanfigur aus.
Bei "inneren Konflikten" steht die Romanfigur vor einem Dilema.
Er oder sie will etwas unbedingt haben / machen / erreichen, kann / darf
es aber nicht. Weil sein eigenes Glück auf das Unglück anderer gebaut
ist oder dergleichen. Es kann sich aber auch zB. um eine typische "Romeo
und Julia - Situation" handeln.
Man könnte sagen, daß für die Figur bei einem inneren Konflikt alles auf
dem Spiel steht. Das muß sich aber nicht nur auf den Liebesroman
beschränken, sondern es kann sich zB. auch um politische oder religiöse
Gründe handeln, wodurch die Figur in einem Dilema steckt. Oder es geht
um' s sexuelle (ein Lehrer ist in eine Schülerin verliebt), um soziale
Unterschiede oder ähnliches.
Dadurch entsteht ein wildes Durcheinander und ein Wechselbad der Gefühle.
Ein gut ausgearbeiteter Charakter wird vom Leser geliebt, man
verzweifelt mit ihm, freut sich mit ihm. Genauso wie man - sofort oder
schleichend - den bösen Gegenspieler zu hassen beginnt und ihn zum
Teufel wünscht. Das lieben die Leser ;-)
Wie bereits erwähnt, darf eine Romanfigur nicht zu perfekt sein.
Das gleiche gilt aber auch für sogenannte "stereotype Figuren".
Das sind Romanfiguren, die einen vorhersehbaren Charakter haben.
Beispielsweise erwartet man vom Bauarbeiter, daß er Frauen
hinterherpfeift. Oder von einer Karrierefrau, daß sie Single ist und
hard im Nehmen.
Leider findet man heutzutage in fast jedem Buch "antistereotype
Figuren", die vorhersehbar sind. Der kleine, unscheinbare Junge, der
plötzlich zum Helden wird, nachdem er ein ach so schweres Leben hatte
(am besten noch im Dienst von anderen Menschen).
Oder Geschichten, bei denen Vampire grundsätzlich böse und blutrünstig sind.
Wo ist da der Ideenreichtum?
Protagonist und Antagonist
Eine Romanfigur wird erst durch die Hürden interessant, die sie nehmen
muß. Oft sind dies die "bösen Gegenspieler", die man in einer solchen
Geschichte erwartet - manchmal sind es aber auch die Guten, die aus den
falschen Gründen etwas tun, was den Protagonisten (der Hauptfigur) in
Schwierigkeiten bringt. Diese "Gegenspieler" nennt man "Antagonist".
Die Gründe für das Handeln des Antagonisten können ebenso edel und gut
sein, wie die des Protagonisten . Nur daß er am Ende dann doch für das
Chaos verantwortlich ist. Ein sehr gutes Beispiel ist "Deep Blue Sea":
Hier will eine Wissenschaftlerin den Alsheimer besiegen, indem sie
Experimente an Haien durchführt. Doch diese werden superintelligent und
damit zu einer tödlichen Bedrohung aller Anwesenden ...
Die Figur muß "echt" sein.
Das Ziel ist es, realistische Romanfiguren zu erschaffen. Realistisch
heißt aber auch, daß es Figuren sind, die tärken und Schwächen besitzen.
Ein Mensch hat Höhen und Tiefen im Leben. Jeder hat ein anderes Talent.
Die einen sind stur und dickköpfig, die anderen edel oder eitel.
Es gibt Menschen, die in der Vergangenheit schlimme Dinge erlebt (oder
vielleicht selbst getan) haben. Oder Kinder, denen seelische Grausamkeit
angetan wurde. Der Leser mag sowas, ja vielmerh er setzt sowas voraus.
Das habe ich bei meiner ersten Leserunde meines Fantasyromans "Eve"
erfahren. Den Testlesern hat der Fantasyroman druchweg sehr gut
gefallen, aber einige fragten nach dem familiären Hintergrund. Der
Vater, der in meinem Kopf absolut keine Rolle gespielt hatte, wurde von
nahezu jedem zweiten Testleser bewußt / unbewußt gespeichert und es
wurde gefragt, was er macht, welchen Charakter er hat, usw. Man
versuchte eine Figur zu untersuchen, die nie eine Rolle in der
Geschichte gespielt hatte, nur, um Hintergrundinformationen zum Wesen
der Protagonistin zu ermitteln.
Also bekam der Vater ein paar intensivere Szenen im ersten Teil und war
letztlich auch eine Schlüsselszene, die sich kurz vorm Höhepunkt des
zweiten Teils befindet. Und als ich alles soweit überarbeitet hatte,
wunderte ich mich selbst, wie gut er sich in die ganze Geschichte
eingefügt hatte. Und schleichend bekam der Vater sogar die
Schlüsselszene, ohne selbst viel aufgetreten zu sein.
Daraus lernte ich, daß Romanfiguren erst richtig "echt" werden,
indem man ihren Charakter durch ihr Umfeld, ihre Familie - kurz: ihr
Privatleben - prägt. Eben genauso, wie im wahren leben auch.
Sympatische Romanfiguren
Wenn ihr Eure Romanfiguren beim Schreiben entwickelt, solltet ihr Euch immer an die folgenden Punkte halten:
- Sie müssen Probleme haben, die sie lösen können.
- Es muß eine Geschichte außerhalb des eigentlichen Romans geben. Ihre
Vergangenheit, Hobbys, Charakter - einfach alles, was eine Figur
"tiefgründig" macht.
- Gemeinsamkeiten mit dem Leser. Wir haben fast alle etwas gemeinsam.
Die Suche nach der wahren Liebe, Geldnöte, Existenzängste, ... Diese
Dinge sollte die Romanfigur auch haben. So wird sie vom Leser ins Herz
geschlossen.
- Wenn Euer Protagonist ein Held werden soll, muß sich dieser Weg
entwickeln. Dazu gehört natürlich auch, daß er Probleme hat und
schließlich ein Ziel erreicht.
- Die Figuren müssen eine persönliche Entwicklung durchleben. Zum
Beispiel kann ein schüchterner Nerd am Ende ein draufgängerischer
Frauenheld werden. Oder aber eine unterdrückte Sekretärin wird am Ende
endlich mutig genug, ihrem Chef zu sagen, was sie über ihn denkt und die
Kündigung einreichen.
- Die Figur muß positive und negative Eigenschaften besitzen, wie wir Menschen auch.
- Romanfiguren besitzen oft eine Vorbildfunktion. Das heißt, daß sie
sich nicht zB. immer schlecht oder passiv verhalten dürfen, sondern
(zumindest an bestimmten Punkten) das richtige tun sollten. Zum Beispiel
schaut ein Held nicht weg, wenn eine Gruppe Jugendliche jemanden
verprügeln. Egal, ob er vorher immer passiv war oder nicht.
Zusammenfassend kann man also sagen, daß die Romanfiguren, wie
echte Menschen auch, von äußeren Einflüssen geformt werden. Ein Roman
sollte also alles beinhalten, was auch für einen Menschen in dieser
Situation wichtig wäre: Wahrnehmungen von Dingen, die die Geschichte
beeinflussen, Gefühle, Entscheidungen, die eine Romanfigur trifft und
natürlich Gründe / Motive, weshalb sie so handelt.
Eine Hautfigur (= Protagonist) steht vor einem Dilema. Konflikte ergeben
eine Reihe von neuen Komplikationen. Die Geschichte befindet sich
irgendwann auf dem Höhepunkt. Der Konflikt wird gelöst und alle sind
glücklich ;-)
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